- Thünen-Modell
- 1. Begriff: Von ⇡ Thünen 1826 begründete Theorie der räumlichen Differenzierung landwirtschaftlicher Nutzungen; ältester Ansatz der Standortstrukturtheorie (⇡ Standorttheorie). Die Herleitung landwirtschaftlicher Nutzungen erfolgt nicht wie in der geographischen Tradition nur aus den natürlichen, sondern primär aus den ökonomischen Faktoren.- 2. Modellbeschreibung: Zentraler Bestandteil des T.-M. ist die ⇡ Lagerente, d.h. der von der räumlichen Distanz zum Marktort abhängige Ertragsanteil. Unter Berücksichtigung bestimmter Randbedingungen ergibt sich bei der Betrachtung nur eines Gutes, dass – weil sie die ⇡ Transportkosten selbst tragen – diejenigen Bauern den größten Gewinn erzielen, die in der Nähe der ⇡ Stadt angesiedelt sind. Wenn alle Landwirte das Bestreben haben, in der Nähe der Stadt zu produzieren, wird dieser Boden wegen der gestiegenen Nachfrage teurer und entsprechend steigen dort die Produktionskosten. Bei nur einem Produkt würde diese Konstellation konsequenterweise dazu führen, dass in Stadtnähe die intensivste Bodenbearbeitung anzutreffen ist. Da von Thünen aber die räumliche Differenzierung von unterschiedlichen Nutzungen erklären will, gibt es kein zwingendes Intensitätsgefälle von der Stadt zum Rand des Raumes. Eine Differenzierung der Nutzungsart und der Intensität dieser Nutzungen kommt durch die Transportrate und -anfälligkeit der verschiedenen Produkte zustande, die sich aus dem Verhältnis von Preis und Gewicht und aus der Haltbarkeit der Produkte ergibt. Thünen kommt so zur Ableitung verschiedener Nutzungsringe (Thümen'sche Ringe), die sich um die Stadt legen: (1) Freie Wirtschaft: In diesem Ring werden sowohl leicht verderbliche Güter (Milch, Gemüse und andere Gartenbauerzeugnisse) als auch transportkostenempfindliche Produkte (Heu, Stroh, Speisekartoffeln und Rüben) produziert. Die in diesem Ring betriebene Landwirtschaft ist i.d.R. sehr intensiv. (2) Forstwirtschaft: Begründet durch die hohen Transportkosten und die relativ niedrigen Holzpreise ist im Ring 2 die Forstwirtschaft angesiedelt, gekennzeichnet durch extensive Bewirtschaftung. (3) Fruchtwechselwirtschaft mit Fruchtwechsel zwischen Blatt- und Halmfrucht. (4) Koppelwirtschaft mit Wechsel von Acker- und Weidenutzung. (5) Dreifelderwirtschaft mit Brachezeiten. Die Bewirtschaftsintensität nimmt von Ring 3 zu Ring 5 ab. (6) Viehzucht: Die Produkte der Viehzucht (Fleisch, Häute, Butter) zeichnen sich durch relativ geringe Transportkosten aus und stellen eine relativ extensive Nutzungsform dar. Neben dieser Nutzung hat von Thünen in diesem Ring aber auch noch einige andere überaus intensive Nutzungen lokalisiert, wie z.B. den Flachs- und Tabakanbau und die Produktion von Sämereien. Ihr Vorkommen in diesem Ring führt er auf die niedrigen Transportkosten zurück. Der letzte Ring ist kein Ring im eigentlichen Sinn mehr, sondern beschreibt die „kultivierbare Wildnis“, die kultiviert werden kann, wenn die Marktsituation es erlaubt.- 3. Weiterentwicklung: Sinclair hält an der Lagerente als Bestimmungsfaktor fest, sieht diese aber weniger von den Transportkosten beeinflusst als vielmehr von der urbanen Expansion, die zu Bodenspekulationen am Rande der Städte führt.- 4. Bedeutung: Das T.-M. hat für die agrarräumliche Differenzierung nur noch eine recht begrenzte, praktische Gültigkeit (z.B. in Entwicklungsländern), ist aber wegen seiner logischen Schlüssigkeit und methodischen Vorbildlichkeit weiterhin von Bedeutung. In der ⇡ Stadtökonomik und in der Raumwirtschaftstheorie bildet das Modell eine wichtige Grundlage zur Erklärung der räumlichen Ordnung städtischer Landnutzungen.
Lexikon der Economics. 2013.